Blutige Fesseln - Hörbuch | |
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Autorin | Karin Slaughter |
Originaltitel | The Kept Woman |
Genre | Hörbuch Thriller |
Laufzeit | 18 Std. und 41 Min. |
Sprecherin | Nina Petri |
Verlag | HarperCollins / Lübbe Audio |
ISBN | 978-3961080090 |
Erscheinungsdatum | 18. November 2016 |
Übersetzung | Fred Kinzel |
Reihe | Georgia-Serie |
Teil | 6 |
Es war einmal ein schöner Hörbuchabend
Wie das immer so ist, wenn der Abend unter der Woche mal dir gehört: Die Luft ist kühl und es dunkelt und die Kinder sind pünktlich im Nest, die Spülmaschine, die schunkelt… und die holde Gattin hat wenig Sinn für dilettantische Umdichtungen der Loreley und geht schlafen. Weil es in der Mediathek leider keinen guten Tatort mehr gibt, entscheide ich mich für einen Hörbuch Abend.
Da mir der Sinn heute nicht nach Höherem steht, sondern nach leichter Unterhaltung, muss ein Thriller oder Krimi her. Blöderweise haben Bernard Minier und Tess Gerritsen noch nichts Neues veröffentlicht und so muss ich mich auf die lästige Suche nach anderen Hörbüchern machen.
Und das dauert natürlich, denn ich will mich nachher nicht über eine vorschnelle und kopflose Wahl ärgern müssen. Also suche ich zuerst die üblichen Hörbuch Bestseller nach Ideen ab. Weil mir nichts davon zusagt, probiere ich es danach bei Google mit Suchbegriffen wie “die besten hörbuch thriller”, “spannende hörbücher”, “thriller, die man gelesen haben muss”, “ähnliche autoren wie..” etc.
Karin Slaughter
Und seltsam, ganz egal wie und was man sucht, überall werden einem Hörbücher von Sebastian Fitzek empfohlen als gäbe es einen Fehler in der Matrix. Als ich schon mit dem Gedanken spiele, ein wenig im IKEA Katalog zu blättern, taucht ein Name auf, von dem ich noch nie zuvor gehört habe: Karin Slaughter.
Karin Slaughter? Im Ernst? Was für ein bizarrer Name, denke ich, das kann ja nur ein Pseudonym sein. Und wie heißen die Titel? Schwarze Wut, Blutige Fesseln, Bittere Wunden, Tote Augen – Oha.
If you judge a book by the cover
Then you judge the look by the lover…♫
ABC, The Look of Love
Spätestens seit den 80ern weiß die aufgeklärte Welt, dass man das book nicht by the cover judgen soll und ein kultivierter Mensch sollte nicht voreilig vom Titel auf den Inhalt schließen. Mit ein bisschen Erfahrung allerdings weiß man auch, dass man sich den Lover lieber doch ein wenig nach dem Look aussuchen sollte und dass miese Titel oft auch miesen Inhalt versprechen.
Deshalb will ich dem HarperCollins Verlag die Abwandlung des Originaltitels “The Kept Woman” in “Blutige Fesseln” hoch anrechnen: Man preist nicht erst ein 4-Gänge-Menü im Ritz an und serviert dann Currywurst in der Pappschale. Bei Karin Slaughter steht Imbissbude offen und ehrlich über der Tür.
Blutige Fesseln
Wenn ich heute darüber nachdenke, weiß ich gar nicht mehr so recht, wie mir Karin Slaughter überhaupt passieren konnte. Möglicherweise war es bloß die abendliche Müdigkeit – vielleicht bin ich bloß in der Zeile verrutscht und habe bei der richtigen Empfehlungen das falsche Hörbuch erwischt?
Wie auch immer, jedenfalls habe die blutigen Fesseln von Karin Slaughter in den Warenkorb gelegt und auf kaufen gedrückt.
Herzerweichend…
Das Hörbuch beginnt mit einer Szene, die eine Rezensentin auf Krimi Couch allen Ernstes als herzwerweichend bezeichnet hat, obwohl hirnerweichend die treffendere Formulierung gewesen wäre:
Eine Mutter hält ihre Tochter in den Armen und streicht ihr sanft über das Gesicht. Als sie nach ihrer Hand greifen will, zuckt das Mädchen zurück. Nicht nur, weil momentan ein Messer in ihrer Brust steckt und sie mit Verbluten beschäftigt ist (Slaughter kann sich dabei nicht verkneifen, uns mitzuteilen, dass das Messer munter im Takt des Herzschlages auf und ab wippt) sondern auch weil die Mutter ihr vollkommen fremd ist.
Vor vielen Jahren, als die Mutter des Mädchens selbst noch ein junge Frau war, hatte sie sich nach der Geburt ihrer Tochter unvermittelt aus dem Staub gemacht – ohne das Kind im Arm gehalten oder ihm auch nur einen Namen gegeben zu haben.
Hier und Jetzt aber, gefangen in der Finsternis, hinter der Tür werkelt der Mörder schon am Schloss herum, wird ihr plötzlich alles klar: die verlorenen Jahre, das ewige Davonlaufen, die sterbende Tochter. Aber sie darf sich da jetzt bloß nicht hineinsteigern, sie muss stark bleiben, denn jetzt kommt gleich der Mörder herein.
Cacatum non est pictum
Alles an diesem knapp siebenminütigem Einstieg in das Hörbuch ist wie aus einem schelchten Film, wie meine Oma immer zu sagen pflegte – ein schnell und lieblos hingekritzelter Quark mit einer background story im Post-it Stil. Den ganzen Prolog kann man, wenn man alle Hühneraugen zudrückt, vielleicht noch als thrillerübliches 0815-Konstrukt bezeichnen, albern und billig, aber ganz sicher nicht als herzerweichend.
Was dann folgt, ist ein routiniert schlecht geschriebener (aber gut gelesener) Mischmasch aus Krimielementen und Groschenroman-Motiven, gewürzt mit der ortsüblichen “fucked-up”-Sprache, in der offenbar alle FBI-Agenten und anderen Einwohner der südöstlichen USA reden – alles eingebettet in einen Plot, der mit dem Wort uninspiriert sehr wohlwollend beschrieben ist.
Slaughters Stil ist dabei noch das geringste Problem, es ist der Stil vieler amerikanischer Autoren der Krimi-, Thriller- und Unterhaltungsliteratur: kurze, adjektivgeschwängerte Sätze, die den Leser brav darüber informieren, in welches Auto gerade gestiegen wird, was im Frühstücksmüsli war und dass schweißnasse Kleidung am Körper klebt. Eine Aneinanderreihung simpler Beschreibungen, denen alles Hintergründige abgeht, die nichts bedeuten, auf nichts verweisen und nur als beliebig austauschbare Zeilenfüller zwischen zwei Ereignissen dienen. Von annehmbarer Prosa ganz zu schweigen.
Aber selbst damit könnte ich mich noch arrangieren, wenn Blutige Fesseln nicht auch sonst alles fehlen würde, was einen guten Thriller ausmacht: Atmosphäre, Spannung und eine gute Geschichte.
Inhalt in der Beschreibung
Den Inhalt der ersten 2 Stunden beispielsweise kann man vollständig jeder Buch- oder Hörbuchbeschreibung von “Blutige Fesseln” entnehmen: “In einem leerstehenden Lagerhaus wird eine Leiche entdeckt (*gähn*). Blutige Fußspuren weisen auf ein weiteres Opfer hin (weiblich natürlich). Und besonders brisant: am Tatort wird die Waffe von Trents Noch-Ehefrau Angie gefunden. (Na sowas!)”
Viel mehr passiert dann auch nicht. Slaughter bringt es fertig, diesen dünnen und ziemlich faden Allerweltsstoff auf zwei quälend langweilige Stunden auszuwalzen, ohne etwas Einfallsreiches oder Hintersinniges, ohne etwas Ungewöhnliches, Dramatisches oder Komisches, ohne irgendwas.
…mit einer Ausnahme:
Trent: “Wissen wir ob es eine verbindung zwischen Harding und Rippy gibt?
Vorgesetzte: “Ich wünschte, ich hätte einen Detective, der das herausfindet.
Diese kleine Süffisanz im Dialog zwischen Trent und seiner Vorgestetzten Amada Wagner markiert den Höhepunkt in einhundertzwanzig Minuten voller Banalitäten. Und das ist leider kein Witz.
Kurz darauf habe ich das Hörbuch ausgemacht.
Die Sprecherin Nina Petri
Ich bewundere Nina Petri für dieses Hörbuch und meine das völlig unironisch. Petri hat eine schöne Hörbuchstimme und holt aus der Vorlage alles heraus, was man rausholen kann. Sie schafft es tatsächlich an vielen Stellen die stilistischen Unzulänglichkeiten Slaughters mit ihrer Stimmarbeit zu überdecken, den ungenießbaren Hundetrab der Sätze mit Tempo und geschickter Modulation anhörbar zu machen.
Und damit will ich diesen Verriss beenden, denn das Hörbuch ist so schlecht, dass mir sogar die Lust am Verriss vergangen ist. Und wer mir jetzt vorwerfen will, dass ich gar nichts zum Inhalt des Buches gesagt habe, der hat zwar völlig Recht, sollte aber unbedingt nochmal den ersten Satz lesen.